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Krebsnebelpulsar

Optischer Puls

Der Krebsnebel beherbergt in seinem Zentrum ein exotisches Objekt: ein Neutronenstern, der einen Durchmesser von etwa 30 km hat, sich 30 mal in der Sekunde um die eigene Achse dreht und dabei dennoch die zweifache (!) Sonnenmasse besitzt.

Er sendet seine Energie hauptsächlich als Radiopulse aus, die 1969 entdeckt wurden, weshalb diese Klasse von Objekten auch Pulsare heißen. Als einer der wenigen Pulsare ist er auch optisch zu beobachten und sendet periodische Lichtblitze aus.

Als ich bei einem Besuch eines physikalischen Labors ein sogenanntes Chopper-Rad mit Lochblende sah, kam mir die Idee einer offenen Kamera mit längerer Belichtungszeit und einer drehenden Lochblende vor der Kamera, die ziemlich genau im Rythmus des Pulsars die Kamera zum Pulsar öffnen und wieder schließen würde.

Nach kurzer Recherche im Internet fand ich sogar einen Hinweis auf einen visuellen Versuch mit dieser Technik und einem größeren Teleskop. Das war also durchaus ein Weg, den ich weiter verfolgen konnte.

Beim Aufbau einer Messeinrichtung für die Pulse des Neutronensterns im Zentrum des Krebsnebels halfen mir ein alter Freund aus der Zeit des Elektrotechnikstudiums: er stellte mir einen hochpräzis drehenden Motor zur Verfügung. Ihn brauchte ich, um die Blende zur richtigen Zeit vor den Kamerasensor zu bringen. Daneben half mir auch das Geschick eines handwerklich begabteren Menschen, der mir das Chopper-Rad mit den beiden 18° weiten Lochblenden aus Pappe fertigte. Damit fiel nur noch 1/10 des Lichtes auf die Kamera bei der Drehung des Rades. Das Material Pappe klingt abenteuerlicher als es ist, weil es trotz des einfachen Materials, die nötige Stabilität aufweist, die ich benötigte. Und im schlimmsten Falle (bei einer nächtlichen Kollision) würde mir nur ein Stück Pappe am Teleskop kaputt gehen.

Nach einem ersten erfolglosen Testlauf mit dem Mond am Himmel und längerem Warten auf geeignetes Wetter, war es am 2.10.2017 am frühen morgen endlich so weit, dass ich die ersten brauchbaren Belichtungsreihen aufnehmen konnte. Der Motor drehte das Rad mit zwei Blenden hochgenau auf den vorherberechneten Wert von 889,10 U/min. Das waren 0,2 U/min zu wenig als die genaue Drehzahl, aber ich erzeugte auf diese Weise eine Schwebung über die ganze Pulsationsdauer des Pulsars.

Die Kamera machte jeweils 20 Sekunden lange Aufnahmen und in fünf Minuten wurde damit die verschiedenen Phasen in etwa 2 ms langen Abschnitten belichtet.Schon die Durchsicht der 16 Aufnahmen, die etwas mehr als 32 Millisekunden der Pulsation des Neutronensternes abdeckten zeigte den Erfolg meiner Mühen. Leider sind die Rohdaten sehr verrauscht.  Dafür war allerdings die grafische Darstellung der Helligkeitswerte der Aufnahmen umso deutlicher und aussagekräftiger.

Zunächst herrschte Begeisterung über die Beobachtung. Das Pulsieren des Pulars war nachgewiesen worden!

Es konnte allerdings nicht erklärt werden, warum die Messung des optischen MAGIC-Teleskops auf La Palma den Nebenpuls um ca. 3 ms früher verzeichnete als es die Aufnahmen in der Klostersternwarte zeigten.

Weitere Messungen waren also nötig, die am 22.10.2017 stattfanden. Doch in den entstandenen Bildreihen war kein Nebenpuls zu finden! Nur der Hauptpuls konnte zweifelsfrei nachgewiesen werden. Irgend etwas musste nicht stimmen!

Die Analyse der Meßdaten, die bei der Beobachtung des Krebsnebelpulsars im Oktober 2017 in Münsterschwarzach gemacht wurden, offenbarte eine Reihe von überraschenden Ergebnissen. Durch das Video, das eigentlich zur Feststellung der genauen Eintreffzeit des Pulses des Krebsnebelpulsars gemacht wurde, konnte die genaue Rotationsfrequenz des Krebsnebelpulsars ermittelt werden.

Hierzu wurde einfach eine Taschenlampe vor das Teleskop gehalten. Mit einem Zeitstempel im Video wurde auf die Millisekunde genau die offene Blende des Blendenrads aufgenommen. Dadurch wurde festgestellt, dass es sich etwas zu langsam gegenüber dem eingestellten und angezeigten Wert am Bildschirm drehte! In der gesamten Belichtungszeit wuchs dadurch der Fehler am 2.10.2017 auf 3 ms - das war die exakte Verschiebung des Verlaufes des Pulses beim Nebenpuls.

Mit dieser Korrektur ergab sich der richtige Verlauf der Pulsation! K74 ist der Sternwarten-Code der Münsterschwarzacher Klostersternwarte:

Bei der zweiten Messung am 22.10. bewirkte das langsamere Drehen des Blendenrades gegenüber dem Pulsieren des Pulsars schon eine Verzögerung um 9 ms, da sich die Frequenz des Krebsnebelpulsars über die Zeit mehr und mehr verlangsamt. Deshalb war bei der zweiten Messung der zweite Puls gar nicht mehr vorhanden! Allerdings konnten aufgrund der genauen Startzeit der Messung und der Rückrechnung der Stellung des Blendenrads die Messungen für die Auswertung verwendet werden.

Die exakte Eintreffzeitpunkt konnte darüber hinaus für den 22.10.2017 um 4:45:25,424 UTC und den Vielfachen der Pulsationsperiode bestimmt werden. Die Unsicherheit war aber nicht unerheblich. Denn werden die Frames mit offener Blende auch nur um 1 ms zeitlich anders bewertet, so ergeben sich erhebliche Abweichungen von ±5 ms zum genannten Eintreffzeitpunkt! Der oben genannte Zeitpunkt ist derjenige, der am besten zu allen gesammelten Daten passt.

Die zeitliche Korrektur meiner Messergebnisse ergab allerdings in der Phase eine völlige Übereinstimmung mit den optischen Messungen der Magic-Collaboration.

Daniel Fischer hat in seinem Blogbeitrag  vom 13. Januar 2019 in "Sky Week Zwei Punkt Null" an die erste Beobachtung der optischen Pulsation im Januar 1969 erinnert. In seinem Eintrag https://skyweek.wordpress.com/2019/01/13/allgemeines-live-blog-ab-dem-13-januar/#Jan16 finden sich viele Links zu Zusatzinformationen wie Notizen, die bei der Entdeckung gemacht wurden oder der O-Ton des Moments der Entdeckung.

Bei der Auswertung der Beobachtungen war eine grundlegende Fehleranalyse zielführend. Aus ihr ergab sich eine Abschätzung der gemachten Fehler. Ohne eine solche selbstkritische Analyse hätte das Potenzial der Messungen niemals ausgeschöpft werden können. – Wohl dem, der erkennt, welche Fehler er macht, und was sie bedeuten!

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