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Umbau einer 8-Inch Schmidt-Kamera

Dieser Text folgt weit gehend einem Artikel, der im Magazin "astronomie - DAS MAGAZIN" Nr. 37 im Jahr 2023 erschienen ist. Einige Präzisierungen und Aktualisierungen sind darüber hinaus vorgenommen worden.

Wer sich in der Astrofotografie ein größeres Bildfeld wünscht, nutzt meist ein Teleobjektiv oder ein Teleskop mit kleinerer Öffnung, um auf eine kürzere Brennweite zu kommen. Allerdings verlängern sich damit die Belichtungszeiten entsprechend. Astrografen mit größerer Öffnung und kleinem Öffnungsverhältnis sind deutlich teurer, genau wie Zusatz-Optiken, wie sie bei Schmidt-Cassegrain-Teleskopen zum Einsatz kommen. Warum also nicht eine alte Schmidt-Kamera mit einem digitalen Sensor versehen?

Anfang der 1970er Jahre begann die Firma Celestron mit dem Bau von Schmidt-Kameras für den Amateurbereich. Dabei wurden Geräte mit Öffnungen von 5½, 8 und 14 Zoll gebaut. Die Geräte sind heute noch Legende. In den Zeiten von chemischen Filmaufnahmen waren die Schmidt-Kameras von Celestron einer der besten Lösungen für den nicht professionellen Astronomen. Hans Vehrenberg und andere haben mit ihren Aufnahmen viele begeistert und inspiriert.
Seit dem Aufkommen digitaler Kameras und spätestens seit dem völligen Einbruch der chemischen Filmproduktion vor etwa zehn Jahren hatte es das geniale optische System von Bernhard Schmidt schwer, Fotografen zu finden, die mit chemischen Film umzugehen wissen. Denn die Bauweise einer Schmidt-Kamera bedingt einen gravierenden Nachteil: Das Bild entsteht auf einer Kugelfläche. Ein Film oder eine Glasplatte konnte leicht auf die Kugeloberfläche des Filmträgers aufgespannt werden. Damit stand ein sehr großes, korrigiertes Bildfeld zur Verfügung. Digitale Sensoren, die sich an eine solche gekrümmte Form anpassen ließen, gibt es weder käuflich zu erwerben, noch lassen sie sich ohne weiteres herstellen. Damit verschwanden viele Schmidt-Kameras in ihren Koffern und lagern meist gut verstaut in Kellern. Professionelle Sternwarten mit größeren Schmidt-Kameras, wie zum Beispiel in der Thüringer Landessternwarte Tautenburg, bauten in der Regel vor ihre digitale Sensoren eine Korrekturlinse ein, um sie weiter nutzen zu können.

Mein kleines Abenteuer der Digitalisierung einer 8-Zoll-Schmidt-Kamera von Celestron begann mit einer E-Mail von Walter Stephani. Er forscht seit Jahrzehnten zusammen mit Roger Ceragioli aus Tucson im US-Bundesstaat Arizona an der Hamburger Sternwarte in Bergedorf zu Bernhard Schmidt. Er hatte auf der Website der Klostersternwarte Münsterschwarzach von meinem Umbau einer 5½-Zoll-Celestron-Schmidt-Kamera g,elesen. Da er selbst eine lange nicht mehr genutzte und zudem beschädigte 8-Zoll-Kamera besaß, schenkte er mir diese für einen Umbau, um sie für einen digitalen Sensor nutzbar zu machen. Nachdem mit Roger Ceragioli ein Optik-Experte im Boot war, sagte ich vorsichtig aber begeistert zu.
Da die vermutlich bereits 50 Jahre alte Beschichtung des Spiegels der Schmidt-Kamera naturgemäß nicht mehr in Ordnung war, ließ Walter Stephani ihn zuvor mit einer neuen Beschichtung versehen. Eine Vorreinigung der Korrektionsplatte ließ die ersten schlimmen Bilder vom Zustand der Kamera schnell in Vergessenheit geraten. Damit stand ein optisch einwandfreies System zur Verfügung mit Filmträger für chemischen Film. Er sollte nun durch eine digitale Kamera ersetzt werden.

Schmidt-Kamera vor und nach dem Umbau

Zunächst galt es, eine geeignete CMOS-Kamera zu finden. Ein gekühltes Modell schied von vorneherein aus, da es seinen Platz im Tubus der Schmidt-Kamera einnehmen musste und das Tubus-Innere aufgeheizt hätte. Zudem wäre zu viel Gewicht auf die ehemalige Filmträger-Spinne gekommen. Relativ schnell war klar, dass die ZWO ASI294MC das Modell mit dem größten verfügbaren Chip war, deren Abmessungen sich am besten in den bestehenden Tubus einfügten und deren technischen Werte gute Ergebnisse verhießen. Selbst bei einer Chiptemperatur von über +20 °C zeigt sie ein sehr geringes Rauschen auch bei Farbaufnahmen. Die Pixelgröße von 4,63 µm lag nahe an der Auflösung des korrigierten Schmidt-Designs, von der Mitte bis in die Ecken des Sensors betrachtet. Der Sensor mit seinen 4144 × 2822 Pixeln ließ eine Bilddiagonale von mehr als 4,5° erwarten.
Die Korrektur des Bildes von einer Kugelfläche zu einer ebenen Fläche war für mich die größte Herausforderung. Roger Ceragioli führte die Neuberechnung des Systems mithilfe des Optik-Programmes Zemax durch. Das Ergebnis war eine plankonvexe Linse mit 25 mm Durchmesser und 200 mm Brennweite mit MgF2-Beschichtung. Außerdem musste die Schmidt-Platte einige Zentimeter näher an den Hauptspiegel gebracht, der Tubus musste also abgesägt werden.

Die technischen Daten ergeben sich aus der folgenden Tabelle:

Bezeichnung

Radius

Abstand

Durchmesser

Chipoberfläche

-

0 mm

23,2 mm

Luftspalt

-

5,58 mm

25 mm

UV/IR-Filter

-

1 mm

25 mm

Korrektorlinse

103,36 mm

0,04 mm

25 mm

Spiegel

609,6 mm

292,8 mm

223 mm

Schmidt-Platte

5,08 mm

529,8 mm

203mm

Die Schwierigkeit bei der Positionierung der Korrekturlinse war, dass geringste Abweichungen in der Ausführung zu großen optischen Fehlern des Systems führen konnten.

Die Celestron-Schmidt-Kameras besitzen als Besonderheit sogenannte Invarstäben, die selbst bei großen Temperaturdifferenzen ihre Länge nicht ändern und damit den Filmhalter weitgehend im konstanten Abstand zum Spiegel halten. Dieser Vorteil sollte in jedem Fall erhalten bleiben. Um den digitalen CMOS-Sensor in den Fokus zu bringen, mussten die Invarstäbe mit Schraubhülsen um 30 mm verlängert werden, denn die Höhe der Kamera überstieg die des ursprünglichen Filmhalters um circa 25 mm. Die ASI294MC selbst wurde an ihrer Rückseite mit einem Drehfokussierer versehen und am bestehenden Filmhalter der Schmidt-Kamera befestigt. Mit ihm konnte der Abstand des Chips im Fokus auf Mikrometer genau eingestellt und fixiert werden. An der Arretierung der früheren Filmhalterung an den Invarstäben wurde eine zusätzliche Einstellmöglichkeit mit sehr starken Sprengringen vorgesehen. Dadurch konnte eine Verkippung der CMOS-Kamera sehr feinfühlig über Schrauben kompensiert werden.
In einem intensiven Austausch entwickelten Walter Stephani und ich zusammen eine Vorrichtung zur Montage des kombinierten Elements aus UV/IR-Filter und der plankonvexen Korrektorlinse. Die beiden wurden mit Immersionsöl zu einem optischen Element zusammengefügt, das auf 0,1 mm genau im richtigen Abstand in den Lichtweg zum Sensor gebracht werden musste. Gerd Neumann jr. aus Hamburg fertigte diese Fassung, die fest mit dem Kameragehäuse verschraubt werden konnte.
Der letzte Schritt des Umbaus erfolgte mit dem Einstellen des neuen, kürzeren Abstandes der Schmidt-Platte für das optisch veränderte System. Dazu wurde der Aluminiumtubus um 58 mm abgesägt und die Korrektorplatte wieder befestigt.

Schmidt-Kamera mit digtialem Sensor

Testphase
Mit dem fertigen Umbau begann die Testphase. Als erstes Motiv wurde am Tage eine Windkraftanlage anvisiert. Dabei konnte der Fokus schon relativ gut bestimmt werden. Es zeigten sich aber die erwarteten Ungenauigkeiten im gesamten Feld: Die linke Seite war etwas schärfer als der rechte Teil des Bildes und die Ecken waren ebenfalls nicht ganz scharf. Weitere Tests folgten mithilfe eines C8, das als Kollimator diente. Mit einer speziellen Vorgehensweise, die ich im Internet entdeckt hatte (siehe Kurzlinks) konnte das gesamte Feld korrigiert und eingestellt werden: In das C8 wurde ein Fadenkreuzokular auf unendlich fokussiert und auf einen hellen Hintergrund gerichtet. Direkt in das C8 schaute nun die Schmidt-Kamera hinein und das Fadenkreuz wurde auf dem CMOS-Sensor scharf abgebildet. Durch das Einstellen des Fadenkreuzbildes auf die Mitte des Sensors und in die vier Ecken konnte die Feldkorrektur sehr genau erfolgen.

First Light
In der nächsten klaren Nacht ging es mit der umgebauten Schmidt-Kamera an den Sternhimmel. Als Motiv wurde der Komet C/2022 E3 bei NGC 1647 ausgewählt: viele helle Sterne in einem großen Feld und dazu noch ein Komet! Die ersten Rohbilder am Bildschirm überzeugten nach einer endgültigen Korrektur an den Sternen. Außer in einer Ecke des Bildfeldes waren die Sterne scharf abgebildet – ein voller Erfolg! Die neue Brennweite der Schmidt-Kamera mit den zusätzlichen optischen Elementen, Ebnungslinse und Filter sowie der geänderten Lage der Korrektionsplatte wurde zu 290 mm, das Öffnungsverhältnis zu f/1,45 und die Bildfelddiagonale zu 4,6° (3,8 × 2,6°) bestimmt. Dabei entspricht ein Pixel 3,3".
Beim Stacken der Aufnahmen fiel dann in der Summe jenseits des Kometen ein gebogener Schweif auf: ein Geisterbild eines hellen Sternes, der außerhalb des Bildfeldes lag, hatte sich ins Bild gemogelt! Und noch etwas wurde nach der Einstellung der Gradationskurven des Bildes deutlich: Die Korrektur durch Flatframes musste sehr sensibel vonstattengehen. Ansonsten bildeten sich in den Randbereichen des Bildes große dunkle und helle Ringe um das Bildzentrum.

Komet C/2022 E3 bei NGC 1647, SK8D

Neue Farbe für den Tubus
Als weiterer Baustein zur Verbesserung der Abbildung wurde das Innere des Tubus mit einem neuen, sehr schwarzen Anstrich versehen. Ursprünglich war geplant, lediglich den äußeren Tubus neu in Weiß zu streichen. Das unregelmäßige Muster des originalen schwarzen Aluminium-Tubus sollte in jedem Falle weichen. Da war es ein Synergieeffekt auch das Innere des Tubus gleichmäßig schwarz zu gestalten. Ein unerwarteter Nebeneffekt davon war, dass sich Reflexionen und zufällige Geisterbilder dadurch stark reduzierten.
Es trat aber nun ein weiteres, bislang nicht ganz geklärtes Phänomen auf: Die Öl-Fügung von UV/IR-Filter und Korrektorlinse führte bei ganz bestimmten Winkeln des Lichteinfalls zu Regenbogen-Erscheinungen. Es handelt sich offenbar um eine Interferenz-Erscheinung, die vermutlich zwischen der Grenzschicht des Filters und der Planfläche der Korrektionslinse entsteht. Durch die Öl-Fügung sollte das eigentlich unmöglich sein. Ganz verstanden ist diese Erscheinung bisher nicht. Abhilfe schafft hierbei eine sehr genaue Flat-Korrektur, die die Regenbogen-Erscheinung in der Bildverarbeitung kompensieren kann. Ein sogenanntes Himmelsflat, bei dem die Öffnung der Kamera mit einem schwarzen Tuch versehen wurde, brachte die besten Ergebnisse.

Optimierungsphase
Nach den ersten Aufnahmeserien wurden die Bilder sehr genau analysiert. Es fiel eine leichte Koma der Sterne vor allem in den Ecken auf. Um sie zu eliminieren wurde der Tubus nochmals um 7 mm (insgesamt sitzt die Korrektionsplatte jetzt also 65 mm näher am Spiegel) gekürzt. Die nächsten Aufnahmen zeugten vom Erfolg dieser Maßnahme. Einzig eine geringfügige chromatische Aberration verblieb in den Ecken des Bildfelds. Sie ist eine unvermeidbare Folge der nicht achromatischen Feldebnungslinse. Sie kann jedoch in der Bildverarbeitung leicht behoben werden: der rote Kanal des Bildes muss um 0,06 % verkleinert und der blaue Kanal um 0,08 % vergrößert werden. Bei 4144 Pixeln in der Sensorbreite sind das nur zwei Pixel, die aber die Abbildung merklich verbessern. Die Grenzgröße lag bei Aufnahmen von zwei Stunden bei etwa 20,5 mag.
Eine Taukappe hilft etwaiges Streulicht zu mindern. Aufnahmen nach Halbmond zeigen einen merklichen Gradienten. Schleierwolken versehen hellere Sterne schnell mit Halo-Erscheinungen. Die hohe Empfindlichkeit der Schmidt-Kamera zeigt sich auch bei unerwünschten Störeinflüssen!

In einem nächsten Schritt wurde die Ölfügung durch einen Luftspalt ersetzt. Kleine Abstandshalter von 40 µm dünnem Papier wurde zwischen Filter und Ebnungslinse eingebracht. Die Regenbogenerscheinungen verschwanden völlig und es gab keine neuen Störungen, wie zum Beispiel durch "Geisterbilder". Leider musste allerdings die Kollimation der Schmidt-Kamera neu eingestellt werden!

Praxis
Aufgrund der relativ kurzen Brennweite können die Aufnahmen ohne aktive Nachführung erfolgen. Längere Einzel-Belichtungszeiten über einer Minute sind unnötig. Größere Belichtungsserien fordern lediglich die Hardware und Stacking-Software bei der Weiterverarbeitung. Der Korrekturbedarf im Summenbild ist sehr gering. Die Farben zeigen sich natürlich und ausgewogen. Das Rauschen der ungekühlten Kamera ist überraschend niedrig und nicht wesentlich stärker als bei einer gekühlten Kamera.
Der digitale Umbau der Schmidt-Kamera war lohnend. Es steht nicht nur ein äußerlich ansprechendes Aufnahmegerät zur Verfügung, sondern bringt die Vorzüge einer Kamera nach Bernhard Schmidt in das digitale Zeitalter: hohe Auflösung über ein großes Feld, gepaart mit höchster Lichtstärke.

Danksagung
Mein besonderer Dank gilt Walter Stephani, der mir die Schmidt-Kamera zum Umbau schenkte und Roger Ceragioli, ohne dessen Berechnungen die Umsetzung des Projektes nicht möglich gewesen wäre.
Beide haben mich unermüdlich begleitet und immer wieder ermutigt, den Umbau weiter voran zu treiben und trugen mit ihren Ideen maßgeblich zum Erfolg bei.
Die Beschreibung des Umbaus der Schmidt-Kamera ist in ständigem Austausch mit den beiden entstanden. Die Übersetzung ins Englische erstellte Roger Ceragioli.
An dieser Stelle muss auch Uwe Schultheiß erwähnt werden, der mit seinem scharfen Blick und Ideen die Kollimation der Schmidt-Kamera wesentlich verkürzte und verbessern half.

Links

Das digitale Bernhard-Schmidt-Archiv der Hamburger Sternwarte in Bergedorf

Website from Gerd Neumann jr.

Während des Umbaus folgte ich den wertvollen Hinweisen von Robert Reeves auf der Seite von Stefan Beck:
Comet Chaser from Stefan Beck

Link to the Corrector lens by Edmund Optics

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